TEXT: HANNES BLANK
FOTOS: HANNES BLANK
Die Landesmeisterschaft des Landesruderverbandes Baden-Württemberg gilt bundesweit sicherlich als eine der beliebtesten Regatten, was die Erringung von Titeln gegen Mannschaften von Vereinen innerhalb eines Bundeslandes betrifft. Ein entsprechendes Ranking von Landesmeisterschaften im Rudern zwischen Bodensee und Kieler Fjörde gibt es zwar nicht, aber die beständig hohe Anmeldezahlen und die erfolgreiche Kombination mit dem Landesfinale Jugend trainiert für Olympia und der Sommertalentiade der Ruderjugend sorgen für eine hohe Attraktivität.
Zudem ist der Ausrichter, der Breisacher Ruderverein, ein sehr erfahrener Organisator der Landesmeisterschaft, da er es in den letzten Jahren mit wenigen Ausnahmen wegen Ausfällen (Covid, Hochwasser) immer wieder verstand, die Regatta sehr attraktiv zu gestalten. Eine schöne 1000 Meter-Strecke mit Zielturm und direkter Ehrung am Siegersteg verstärken das Erlebnis Landesmeisterschaft in Breisach. 2023 spielte auch das Wetter ohne Sommerkapriolen mit. Bei den B-Junioren gab dieses Jahr so viele Meldungen für den Einer und den Doppelvierer, das erstere ein Halbfinale bekamen und zweitere einen Vorlauf – da waren die jungen Ruderathletinnen und Ruderathleten dieser Altersklasse schnell an ihrem Limit von maximal vier Rennen am Tag.
„Freitag Gewitter, Samstag und Sonntag sehr heiß, so habe ich Breisach sehr oft in Erinnerung“, sagte Florian Roller. Der 30-Jährige, 2016 und 2018 Weltmeister im Leichtgewichts-Doppelvierer, ist schon oft auf dem gestauten Nebenarm des Rheins (der Schiffsverkehr nimmt einen anderen Weg über die französische Seite) gestartet, um Landesmeistertitel zu gewinnen. Dieses Jahr sollte es ein weiterer im Männer-Einer dazukommen, nachdem er im Vorjahr krankheitsbedingt abmelden musste. In diesem Rennen hielt Adrian Mengendoht (Karlsruher Ruder-Verein Wiking) 300 Meter lang gut mit, dann zog der für die Stuttgarter RG fahrende Roller auf und davon und gewann den mit einem Wanderpreis verknüpften Titel. Dritter wurde Christian Klein vom Mannheimer Ruderclub.
Roller saß auch im siegreichen Männer-Achter der Stuttgarter Rudergesellschaft. In der Besetzung Gerhard Müller, Tom Polman, Clemens Hoyer, Florian Roller, Emil Schmidberger, Moritz Marchart, Moritz Korthals, Simon Kramm und Steuerfrau Laura Hipp gewannen Ruderer aus der Landeshauptstadt mit 1,65 Sekunden Vorsprung vor dem Boot des Karlsruher Ruder-Vereins Wiking (Schlag: Karl Draper). Hätte dort Steuerfrau Rebecca Pawlik nicht schon während der Startphase gegensteuern müssen, wäre das Rennen vermutlich noch knapper ausgefallen. Die Bronzemedaillen im Männerachter holte sich das Team des Ruderclub Rheinfelden ab.
Der Wanderpreis für den schnellsten Frauen-Einer blieb erstmals in der Geschichte der Landesmeisterschaft beim Breisacher Ruderverein. Claire Licht gewann das Rennen vor Cathrin Reimer (Rudergesellschaft Heidelberg) und Sina Burmeister (Ulmer Ruderclub Donau). Die 20jährige Licht, U23 WM-Vizemeisterin im Leichtgewichts-Doppelvierer 2022, hatte ihr Fans auf der Siegerehrung: „Claire Licht ist krass und die beste von allen!“, freute sich eine Breisacher C-Juniorin in einer Gruppe Gleichgesinnter, während ihre Vereinskollegin den großen „Preis des Rheins“ in Händen halten durfte.
Der Wettbewerb des Junioren-Achters gibt einen Ausblick darauf, welcher baden-württembergische Verein in Sachen Nachwuchs so gut aufgestellt ist, um in den folgenden Jahren auch die Großboote mit männlichen erwachsenen Ruderathleten füllen zu können. 2023 war dies nicht der RC Nürtingen, sondern der Ulmer Ruder-Club Donau, die vom Breisacher RV einen Achter leihen mussten, da sie gleich drei Achtermannschaften aufboten. Nach dem Sieg im Vorlauf (insgesamt sieben Boote hatten gemeldet) setzte sich die Ulm-Mannschaft mit Colin Gaugler, Maximilian Meyer, Mikel Mardaras-Peters, Florian Schnarrenberger, David Pfarr, Paul Vasylyev, Aaron Maier, Schlagmann Jordan Böhm und Steuerfreu Lisa Denkinger-Ruder durch. „Zur Hälfte des Rennens waren die Abstände gering, aber uns ist der Endspurt gut gelungen“, erzählte Jordan Böhm nach dem Rennen. Nürtingen kam auf den Bronzeplatz, die Silbermedaillen im Junioren-Achter bekamen die jungen Ruderer des Marbacher Rudervereins umgehängt. Der RCN siegte hingegen bei den Juniorinnen (Schlag: Anna Fischbach), vor dem einzigen Gegner aus Karlsruhe.
Im Rennen der Frauen-Achter gab es ebenfalls keinen Vorlauf, aber mit 5 Booten war die Regattastrecke gut gefüllt. Es siegte wie bei der Premiere dieses Rennens vor ein paar Jahren der Karlsruher Ruder-Verein Wiking, mit der Junioren WM 2022-Zweiten Helena Brenke auf dem Bug-Platz, außerdem Sonja Arnold-Kiefer, Esther Linner, Barbara Thiele, Victoria Karl, Sophia Brenke, Luise Münch, Clara Reiter und Steuerfrau Rebecca Pawlik. „Nürtingen war vorab schwer einzuschätzen, aber wir kamen gut raus und ab 500 Meter haben wir alles klar gemacht“, berichtete Schlagfrau Clara Reiter nach dem Rennen. Tatsächlich trennten sie über vier Sekunden vor den Zweitplatzierten aus Ulm, Dritte wurde, etwas überraschend, neun Heidelbergerinnen vom Ruderklub.
Der Breisacher Ruderverein bittet übrigens schon seit über 50 Jahren zu Ruder-Rennen. Angefangen hat der erst kurz zuvor gegründete Verein mit einer Einladungsregatta, die schnell an Attraktivität gewann. Ungefähr 15 Jahre wurde in Breisach auch eine internationale DRV-Juniorenregatta ausgerichtet. Einer, der fast immer dabei war, ist BRV-Urgestein Roland Fassnacht, der einst auch Regattaleiter war und immer noch einer der etwa 100 Helfer der Veranstaltung ist. „Anfangs hatten wir noch 2000 Meter-Rennen und eine einschwenkbaren Startnachenreihe bei 1500 Meter“, erzählt der 76-jährige Ex-Polizist. Das wohl kurioseste Ereignis fand Mitte der 1970er Jahre statt: „Ein Mann wollte nachts schwimmend mit einem kleinen Floss, worauf er seine Sachen hatte, den Rhein von Frankreich aus nach Deutschland queren, verfing sich aber in den Leinen des Albano-Systems und rief um Hilfe“, berichtete Fassnacht. „Die am Ufer zeltenden Kinder hörten das und benachrichtigen die Polizei. Nachdem der Schwimmer befreit und an Land gebracht worden war, stellte sich heraus, dass das ein flüchtiger Krimineller war, der illegal über die Grenze wollte“.
Zurück zur Gegenwart: Der „Preis des Ministerpräsidenten“ für die besten Leistung insgesamt schien während der Regatta im Jahre 2023 schon fest in der Hand des Ulmer Ruderclub Donau. Der Verein, der auch U23-Leistungstützpunkt ist, hatte zusammen mit Gastruderinnen und -Ruderer aus Paris eine sehr große Gesamtmannschaft für viele Rennen startklar gemacht (74-mal wird er im Meldeergebnis genannt). Doch der RC Nürtingen tauchte dort 78-mal auf, und den jungen französischen Gastruderern fehlte es an Regattaerfahrung, laut eines Ruderers aus Ulm war es für viele von Ihnen der erste Ruderwettkampf in ihrem Leben überhaupt. Und für den „Preis des Ministerpräsidenten“ zählt eben nicht nur Masse, sondern auch Klasse: Sehr zur Freude des RCN-Sportvorsitzenden Andreas Keller gewann der Club vom Oberlauf des Neckar die begehrte Auszeichnung mit 367,75 Punkten deutlich vor Ulm, die 324,75 Zähler sammelten. Dritter wurde die Mannheimer RV Amicitia mit 256,5 Punkten.
veröffentlicht am Sonntag, 6. August 2023 um 13:42; erstellt von Breitenbücher, Heike